Die kleinsten Ortschaften der Schweiz und die grössten Metropolen, wie Zürich oder Bern, verbindet einer der grössten Arbeitgeber der Schweiz: die schweizerische Post. Wie kann diese aber ihre Lieferzeiten verkürzen? Und wie entwickelt sich die Post?
Eine Reportage von Marwin König und Timon Zimmerli
Gerade noch rechtzeitig konnten wir unser Paket an der Postfiliale Kirchenfeld aufgeben, da kommt bereits der gelbe Transportwagen, um die abgegebenen Briefe und Pakete dieses Tages nach Härkingen ins Brief- und Paketzentrum zu bringen. Bald schon sehen wir nur noch die roten Rücklichter des gelben Transportwagens, deren Licht immer schwächer wird. Ebenfalls auf dem Weg in das Brief- und Paketzentrum in Härkingen befinden sich in diesem Moment dreihunderttausend andere Pakete, sowie sechs Millionen Briefe.
«Ich bin nicht der, der sortiert. Meine Aufgabe ist es, den Mitarbeitenden den Rücken freizuhalten»
~Demian Halter
Zwei Wochen früher besuchten wir den Hauptsitz der Post in Bern, um unser Interview durchzuführen. «Die wichtigsten Leute sind die, die operativ arbeiten. Sie sind das Kernstück der Post», erklärte uns Demian Halter, Geschäftspartner für Kommunikation und Logistikservices, unser Interviewpartner. Eines der wichtigsten Ziele der Post sei, die Pünktlichkeit stetig zu erhöhen, was der Post in den letzten Jahren auch gelungen sei. Demian Halter begründet diesen Erfolg durch den hohen Einsatz der Mitarbeitenden und das Teamwork der verschiedenen Abteilungen, die bei der Paket- und Briefzustellung involviert sind. Die Büroangestellten sorgen dafür, dass die operativ tätigen Mitarbeitenden ihre Arbeit bestmöglich ausüben können und die Zahnräder der Post ineinandergreifen. Demian Halter und seine Kollegen:Innen im Büro schauen, dass die nötige Infrastruktur vorhanden ist, damit eine Verbesserung der Lieferzeit überhaupt möglich ist. Gerade in der Weihnachtszeit sei die Paketflut am höchsten. Um trotzdem pünktlich liefern zu können, stelle die Post jährlich zusätzliche Mitarbeitende an, miete weitere Lieferwagen, lasse die Sortieranlagen länger laufen und sortiere sowie liefere in dieser Jahreszeit Pakete auch am Samstag. Er erklärt uns, er sei nicht der, der sortiert. Seine Aufgabe sei es, den Mitarbeitenden den Rücken freizuhalten: «Ich will durch meine Arbeit Verständnis schaffen. Wenn ein Paket zu spät kommt, gibt es häufig Kritik von den Kunden, welche in den Medien geteilt wird. Meine Verständnisübermittlung soll den Medien und insbesondere weiteren Anspruchsgruppen zeigen, wie hart die Arbeit ist und dass die Mitarbeiter:innen ihr Bestes geben.» Demian Halter versucht etwas für das Image der Post zu tun, indem er den Medien und insbesondere den Kunden zeigt, was wirklich hinter einer alltäglichen Lieferung von Bestellungen der Kunden steckt.
Wenige Stunden nach unserer Paketabgabe steigen wir aus dem Bus mit der Nummer 44, um eine Führung im Brief-/Paketzentrum Härkingen zu machen. Schon als wir aus dem Bus ausgestiegen sind, fährt ein gelber Transportwagen auf dem Areal ein, der Pakete und Briefe, die tagsüber im Mittelland abgegeben worden sind, transportiert. Wir betreten die riesige Halle des Briefzentrums. Kaum sind wir eingetreten, müssen wir schon einem geübten Gabelstaplerfahrer ausweichen. Durch die ganze Halle ertönt das Rattern der Rollbänder. Sich zu verständigen, scheint an manchen Orten fast unmöglich. Der Geruch nach Karton und Papier verteilt sich ebenfalls durch die ganze Halle. Für die Briefe gilt direkt nach der Ankunft einen engen Zeitplan, da man in der Nacht noch weitere tausende Briefe sortieren muss. Die Briefe werden nach dem Eintreffen bei der Annahmemaschine, die wie alle anderen Maschinen seit acht Uhr abends ununterbrochen läuft, mit dem Briefstempel des Briefzentrums Härkingen markiert und auf die Förderbänder geladen. Am Abend werden nur A-Post-Briefe sortiert, da diese am nächsten Morgen bereits beim Kunden sein müssen. Nach einigen Minuten des Staunens stehen wir vor einem gewaltigen Betonblock. In diesem befindet sich ein gigantisches, vollautomatische Hochlager, in welchem B-Post-Briefe über die Nacht aufbewahrt werden, um im Verlauf des Tages verarbeitet zu werden. Über einen Bildschirm sehen wir ins Innere des Würfels. Ein Roboter sortiert die vollgefüllten Kisten, damit die Verarbeitung später schneller vonstattengeht. Gleich daneben befinden sich Supersortierer, welche mit über uns verlaufenden Rollbänderautobahnen mit dem Hochlager und den Annahmemaschinen verbunden sind. Die Supersortierer sortieren Briefe die die entsprechenden Massen haben - sie sollten biegbar und weniger als 100 Gramm schwer sein. Die zehn Prozent welche diese Masse nicht einhalten, werden von deutlich kleineren und nicht annähernd so moderne Sortiermaschinen sortiert. In Supersortieren werden mit einer optimalen Ladung und zu Spitzenzeiten bis zu 48‘000 Briefe pro Stunde verarbeitet. Die Briefe werden mit so hoher Geschwindigkeit durch den Supersortierer geschossen, dass wir sie nur schwer mit den Augen verfolgen können. Aus dem Sortierer fliegen all paar Sekunden Briefe in Boxen hinaus. Mit genauerem Hinsehen erkennen wir, dass die Boxen nach Postleitzahl und sogar Touren, welche die Postboten machen, beschriftet sind. An uns läuft gerade eine Frau mit einer durchsichtigen Tasche vorbei, denn herkömmliche Taschen sind hier verboten. So wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen keine Briefe oder Pakete unbemerkt einpacken.
«Corona war wie Black Friday und Weihnachten jeden Tag»
~Demian Halter
Während der Coronapandemie nahmen Paketzustellungen zu. Die Coronapandemie sei wie Black Friday und Weihnachten gewesen, erläutert Demian Halter uns. Nicht im positiven Sinn, jedoch von der Anzahl der zugestellten Pakete. Teilweise seien es über eine Million Pakete pro Tag gewesen. Corona habe aber nicht nur die Zustellraten verändert, auch ein Krisenstab sei ins Leben gerufen worden, um die Konzernleitung zu entlasten, erinnert sich Demian Halter. Doch die hohe Nachfrage nach Paketen blieb nach Corona bestehen, auch wenn die Zahlen seither ein wenig zurückgingen. Ganz gegensätzlich entwickelt sich der Briefverkehr. Auch wenn dieser absolut immer noch fast zehnmal so gross ist wie die Anzahl versendeter Pakete, geht der Briefversand seit Jahren zurück. Da die Post weiterhin relevant bleiben möchte, müsse sie ihre Dienstleistungen anpassen. In Härkingen zum Beispiel wurde ungebrauchte Fläche des Briefzentrum zu einem kleinen Paketzentrum umfunktioniert. Auch wurden in der 2020 neu eingeführten Strategie «Die Post von Morgen» Post-Mail (Briefe) und Post-Logistik (Pakete) zu Logistikservices zusammengelegt. Die Briefpost verschmilzt also immer mehr mit der Paketpost. Auch in der Zustellung der Postboten gebe es Veränderungen. Es gibt immer mehr Touren, die gemischt fahren, also Briefboten und Briefbotinnen, die Pakete und Briefe austeilen, und Touren, bei denen nur Pakete ausgeteilt werden.
Wieder zurück im Zentrum von Härkingen erkennen wir auch hier diese Veränderung, ursprünglich ein Briefzentrum, welches nun auch Pakete sortiert. Diese werden nach Ankunft ebenfalls unverzüglich auf die Rollbänder gebracht, da die Priority-Pakete, wie die A-Post Briefe, schon am nächsten Morgen zugestellt werden müssen und keine Zeit verschwendet werden darf. Pakete von Zalando, Temu, Dosenbach und anderen grossen Anbietern überfluten die Rollbänder vor uns. Kurz bevor sie auf den Sorter gelangen, durchlaufen sie einen Sechsseitenscanner, der einen glauben lässt, dass man sich in der Zukunft befindet. Der Sechsseitenscanner scannt, wie der Name schon sagt, das Paket von allen sechs Seiten und kann so die Adresse, den Namen des Empfängers und sogar das Gewicht ins System eintragen, was den Sortierprozess vereinfacht. Über den Sorter werden die Pakete zu Rutschen, an wessen Ende sich Mitarbeiter:Innen befinden, geführt und runtergeworfen. Von den Mitarbeitern werden die Pakete in Rollkästen, welche nach Postleitzahl sortiert sind, verstaut. Plötzlich dröhnt ein sirenenähnlicher Ton in unseren Ohren und ein Mitarbeiter fährt mit seinem Scooter zum Ursprungsort, wo ein Brief einen Sortierer blockiert. Der Mitarbeiter behebt das Problem und der Ton verstummt. Wir sind auf dem Weg zum Ausgang und können noch gerade einen Blick in einen Transportwagen erhaschen, der mit sortierten Priority-Paketen vollgeladen wird.
Ein Mitarbeiter schliesst die Türen des gelben Transportwagens, der langsam losfährt. Er durchfährt das Gelände und kommt zum Ausgangstor. Mittlerweile ist es schon dunkel, als der Transportwagen den kleinen gelben Knotenpunkt im riesigen Postnetz verlässt. Während für uns der Rundgang beendet ist, geht die Reise von allen Paketen im Lastwagen und im gesamten Gebäude noch lange weiter, bis sie schlussendlich in den Händen der ungeduldigen Empfänger sind. Wir sehen nur noch die roten Rücklichter des nun grauschimmernden Transportwagens, welche immer kleiner werden.