Der Holocaust - ein Thema, welches man in der Schule in verschiedensten Kontexten etliche Male erklärt bekommt. Es gibt wohl kein Thema, welches in der Schule intensiver und häufiger durchgenommen wird. Und trotzdem gibt es Holocaustleugner und Antisemiten. Kürzlich schauten wir in Geschichte den Holocaust im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg ein weiteres Mal an. Neben den schrecklichen und unmenschlichen Verbrechen der Nationalsozialisten gegen die Juden mussten wir natürlich auch die Ursprünge der Ermordung von sechs Millionen Juden verstehen. Einen Judenhass gab es gerade in Europa schon seit Jahrhunderten. Oftmals wurden gerade in Krisenzeiten Juden zu «Sündenböcken» gemacht. Der Hass wurde religiös begründet und wird als Antijudaismus bezeichnet, also die pauschale Diskriminierung von Juden aus religiösen Gründen. Im 19. Jahrhundert verändert sich der Antijudaismus durch Einfluss des Sozialdarwinismus und Rassismus. Juden, verbunden durch ihre Religion, wurden nun als eine Rasse angesehen, deren Ziel es sei, die Weltherrschaft zu ergreifen. Die Pseudowissenschaften führten zum Antisemitismus.
Der Antisemitismus lässt sich also, gekürzt, als Feindlichkeit gegenüber Juden aufgrund der Annahme, dass die Juden eine grundsätzlich schlechte Rasse sei, definieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand der Staat Israel, welcher den auf der ganzen Welt verteilten Juden einen Lebensraum bieten sollte. Der Zionismus, als die Bewegung für einen jüdischen Staat, gab es schon vor dem Holocaust. Und obwohl die Begrifflichkeit um den Antisemitismus, Antijudaismus und Zionismus geklärt und definiert scheint, hat nun die deutsche Partei «die Linke» ihre Definition des Antisemitismus geändert, und damit eine Kontroverse eröffnet, die seit der erneuten Entfachung des Konfliktes zwischen Palästina und Israel sehr aktuell ist.
Die vom Deutschen Bundestag verwendete Definition des Antisemitismus ist breiter gefasst als die uns beigebrachte Definition und wurde von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) gefertigt. Die Linke hat jetzt beschlossen, Antisemitismus nach der Jerusalemer Erklärung zu verstehen. Dies mit der Begründung, dass Kritik an Israel nicht als antisemitisch gelten darf. Von vielen Seiten kommt eine grosse Gegenwehr: So meinten verschiedene CDU-Politiker, dass die Definition des Antisemitismus der Wissenschaft überlassen werden soll und die Aktion der Linken unerträglich sei. Die Linke wurde in diesem Kontext selber auch als antisemitisch bezeichnet.
Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, welches die kritische Situation mit Israel und den Juden zeigt. Denn es ist fast schon absurd, Kritik an Israel als antisemitisch zu bezeichnen. Erstens gibt diese Aussage nach Definition keinen Sinn, da der Antisemitismus von einer Diskriminierung der Juden handelt, und selbst Hassrede über Israel, welche Kritik weit übertreffen und nicht akzeptabel sind, das Land und die Regierung betreffen, und nicht die Religion. Obwohl Israel zum grössten Teil jüdisch ist, ist die Beziehung zwischen Religion und Staat nicht geregelt, da Israel über keine Verfassung verfügt. Israel und das Judentum gleichzusetzen ist also nicht ganz korrekt. Kritik an Israel als antisemitisch zu bezeichnen hat nicht nur nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern schmälert auch die Bedeutung von Antisemitismus und der Schrecklichkeit des Holocaust. Kritik ist in einer Demokratie, welche Israel zu scheinen ist, notwendig, auch von aussen, und auch von nicht jüdischen Personen.
Wo führt es hin, wenn ein Staat nicht mehr kritisiert werden darf? Antisemitische Handlungen sind in unserer Gesellschaft zu Recht ein absolutes No-Go, auch wenn sich diese Haltung immer weiter verändert. Doch warum verändert sie sich? Gerade in Deutschland haben es viele Menschen an beiden Seiten des politischen Spektrums satt, von der Immunität gegen Kritik Israels zu hören. Das fragwürdige Vorgehen Israels im Konflikt gegen die Hamas zum Schaden der Zivilbevölkerung in Gaza ist längst nicht mehr nur fragwürdig. Verschiedenste humanitäre unabhängige Organisationen wie auch die UNO beschuldigen Israel an Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen. Und was macht Israel? Sie bezeichnen die UNO als antisemitisch. Und wo kommen wir hin, wenn sich ein Land, welches offensichtlich menschenrechtsverletzende Dinge tat, hinter dem Schutzwall ihrer Geschichte versteckt und den Spiess umdreht? Man könnte meinen, dass Israel den Holocaust als Rechtfertigung braucht, nun selbst Verbrechen zu begehen. Doch sollte Israel doch das Leiden am besten verstehen und nicht Hass und Krieg befeuern, sondern Frieden und Verständnis. Als Opfer des grössten Genozides der Geschichte sollte man die Welt besser machen und nicht noch mehr Menschen leben fordern. Doch der israelische Staat scheint dies nicht zu interessieren. Obwohl es immer mehr Proteste auch von der eigenen Bevölkerung gibt, nutzt er sein Opferprivileg aus und setzt die eigene Politik durch, während die Welt nur zuschaut und Proteste aus Schuldgefühlen niederschlägt.
So muss ich eindeutig sagen, dass ich Kritik an Israel nicht als antisemitisch halte. Eine Kritik ist auch nicht antizionistisch, sie stellt also auch nicht den Staat Israels in Frage. Sie will nur verdeutlichen, dass es so nicht weitergehen kann und dass Veränderung her muss. Israel muss sich aus ihrer Rolle des Opfers befreien, wenn es jemals von der ganzen Welt akzeptiert werden und dem Antisemitismus ein Ende setzen will.