Wie Goethe & Co. das Englische verhunzten

18. Februar 2025
Goethe und Schiller Denkmal in Weimar (Quelle: Clio)

Sprachen ändern sich

Es sind nun schon fünf Wochen vergangen, seit wir im Deutschunterricht eine Prüfung zum Thema Sprachgeschichte absolvierten, und noch einmal so viele, seit wir die Grundlagen der deutschen Sprachgeschichte selbständig erarbeiteten. Es galt, die verschiedenen Prozesse welche die deutsche Sprache durchlief, nachzuvollziehen und sie mit verwandten Sprachen zu vergleichen. Der für uns definierte Beginn des Deutschen liegt in der indoeuropäischen Sprache, eine Art Ursprache aus dem Raum des Schwarzen Meeres. Mit der Völkerwanderung und der Verbreitung der Sprache auf dem Kontinent Europas nahmen jeweilige Völker gewisse Lehnwörter vorderer Völker auf. Als die Völkerwanderungen abgeschlossen waren, setzte sich im heutigen Deutschland das Germanische fest. Dies unterschied sich durch die Wortlautverschiebung, die Einführung des Ablautsystems und die Reduzierung auf vier Kasus von den italischen Sprachen, welche ebenfalls indoeuropäischer Herkunft sind. Die Differenzierung zwischen den restlichen germanischen Sprachen und dem Deutschen fand mit der zweiten Wortlautverschiebung, ca. 500 n. Chr., statt. Das Niederländische, Schwedische und Englische haben diese nie mitgemacht, was den Hauptunterschied zwischen diesen Sprachen ausmacht. Die deutsche Sprache ging danach noch über 1000 Jahre weitere Prozesse durch, bis sie sich zu den Sprachen entwickelte, welche wir heute benutzen. Denn «das» Deutsche existiert gar nicht, es gibt riesige Unterschiede im Sprachgebrauch nach Regionen, aber auch zwischen jeder Person. Jedoch ist der Prozess der Sprachentwicklung nicht abgeschlossen, er wird für immer weiter gehen.

Und genau so ein Prozess können wir im Moment beobachten. Zum Leiden meines Deutschlehrers wird die deutsche Sprache laut seiner Prognose aussterben und durch das Englisch ersetzt werden. Diesen Prozess erkennt man am immer häufigeren Vorkommen englischer Wörter im deutschen Sprachgebrauch. Gerade in der Jugendsprache werden - auch wegen den sozialen Medien (Social Media wäre genau ein solcher Lehnbegriff) - immer mehr englische Begriffe eingeführt, was der deutschen Sprache schadet.

Der Einfluss des Deutschen

Doch es war nicht immer so, dass das Englische das Deutsche beeinflusste. Ich will von der Zeit erzählen, in welcher die deutsche Sprache andere Sprachen beeinflusste, eine  Zeit, in der Deutsch die Sprache der Wissenschaft und der Literatur war, die goldene Zeit der Dichter und Denker Deutschlands.

Die Zeit der Dichter und Denker in Deutschland begann im späten 18. Jahrhundert, und endete mit  dem 19. Jahrhundert. Doch noch bis in die 50er Jahre des nächsten Jahrhunderts waren die Deutschen in der Wissenschaft am meisten bewandert, was sich auch beim jährlichen Verleih der Nobelpreise zeigte. Ein Grund für die Entstehung des Landes der Dichter und Denker war der aristokratische Aufbau des Flickenteppichs in Zentraleuropa, welcher sich als Heilig Römisches Reich deutscher Nation betitelte. Der einzige Weg für ambitionierte Bürgerliche an die Macht zu kommen, war durch Bildung. Somit entstand das Zeitalter, welches den grössten Teil des deutschen Kulturgutes ausmacht, Namen wie Beethoven, Goethe, Schiller, Kant und Humboldt. Diese Zeit der Denker und Dichter löst bei den Deutschen immer noch Nostalgie aus. So wird diese Zeit als vergangene Hochzeit der Deutschen angesehen und mit Trauer gehuldigt. Jedoch benutzen es heute auch Unterstützer der deutschen Rechtenszene. Sätze wie «Wir waren mal das Land der Dichter und Denker …» sind geläufig, sie sind jedoch vor allem Zeichen von Konservatismus und Nationalstolz.

«Ein Deutscher sein, das hiess beinahe ein Dichter sein. Aber noch mehr: ein Dichter sein, das hiess beinahe auch schon, ein Deutscher sein.»
~Thomas Mann

Und durch diese Dominanz in Literatur und Wissenschaft in Europa, passierte das, was wohl meine Englischlehrerin fürchten würde, das Englische nam deutsche Wörter auf. Eine Liste von über 350 Lehnwörter lässt sich auf Wikipedia finden. Neben Fachbegriffen wie Aspirin, LSD oder Energiewende erblickt man auch einige Begriffe der Alltagssprache. Ob England sich damals auch vom Untergang ihrer Sprache gefürchtet hat, ist schwer zu sagen. Jedenfalls konnten sie, trotz der möglichen Anschuldigung an ihrer Jugend, die Sprache zu schänden, ihre Sprache bewahren. So lässt es sich sagen, dass solche Prozesse der Sprachvermischung natürlich sind, und genau zu unserer schönen Sprache geführt haben.